Das Pilgern boomt. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Pilgernden um ein Vielfaches angestiegen. Fast eine halbe Million Menschen waren im Jahr 2024 auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela unterwegs. Das zeigt die Statistik zur Anzahl der Pilgerinnen und Pilger auf dem Jakobsweg . Das waren fünf Mal mehr Pilgerinnen und Pilger auf dem Jakobsweg als noch zu Beginn der 2000er-Jahre.
Einen großen Anschub erhielt das Pilgern vor zwanzig Jahren auch durch das Buch „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling. Der Schauspieler und Komiker beschreibt darin, wie das Pilgern auf dem Jakobsweg ihn und sein Leben verändert hat. Hape Kerkeling ist zudem Schirmherr des Daadener Pilgerwegs, der sich auf dem Gebiet der rheinischen Kirche befindet.
Das Pilgern hat für die Menschen eine oft unterschiedliche Bedeutung: Für manche ist es eine sehr anspruchsvolle Wanderung. Für andere ist das Pilgern die Route zu einem für sie heiligen Ort. Für viele weitere ist der Weg das Ziel: Beim Pilgern denken sie über den Sinn ihres Lebens, über Gott und ihren Glauben nach.
2. Warum pilgern Menschen?
3. Warum pilgern Christinnen und Christen?
4. Evangelisch pilgern
Pilgern von der Haustür in die Ferne
Auch auf dem Gebiet unserer Evangelischen Kirche im Rheinland sind Pilgerinnen und Pilger unterwegs: Sie pilgern auf dem Jakobsweg von Aachen oder Köln ins spanische Santiago de Compostela. Sie sind außerdem auf dem Jakobsweg auf den Strecken bei Trier, Bonn und Koblenz unterwegs. Zudem gibt es viele weitere Pilgerwege auf unserem Kirchengebiet in Nordrhein-Westfalen und Hessen, in Rheinland-Pfalz und im Saarland.
In den evangelischen Kirchengemeinden gibt es für Pilgernde unter anderem
- Angebote zum Pilgern in Gruppen,
- offene evangelische Kirchen für Rast, Gebet, Andacht und den Stempel für den Jakobsweg oder
- Texte und Lieder für unterwegs.
Die Bedeutung des Pilgerns: Eine Reise in die Fremde
Das Wort „Pilgern“ stammt vom lateinischen Wort „peregrinus“ ab. Übersetzt bedeutet das: „in der Fremde sein“. Das Pilgern hat seinen Ursprung in den Religionen: Gläubige Pilgerinnen und Pilger sind seit vielen Tausend Jahren in der Fremde unterwegs, um einen für sie heiligen Ort zu erreichen. Diese Art der Reise wird oft auch Wallfahrt genannt.
Schon in der Antike pilgerten die Menschen zu den Tempeln der griechischen Gottheiten. Für Menschen jüdischen Glaubens ist oft die Stadt Jerusalem in Israel das Ziel der Pilgerreise. Denn in Jerusalem stand der erste im Jahr 900 vor Christus errichtete jüdische Tempel. Das saudi-arabische Mekka ist als Geburtsort von Mohamed für Menschen islamischen Glaubens das Ziel ihrer Pilgerreise. Mohamed gilt im Islam als Prophet und Gesandter Gottes. Buddhistinnen und Buddhisten pilgern an die Orte, an denen Buddha zu Lebzeiten gewirkt hat. Bekannte Buddha -Stätten gibt es beispielsweise in Lumbini (Nepal) und in Kushinagara in Indien.
Vor allem im katholischen Christentum sind die Ziele der Pilgerreise meist Orte, an denen Reliquien aufbewahrt werden. Reliquien sind Überbleibsel bedeutender gläubiger Menschen. So werden die in der Kathedrale von Santiago de Compostela aufbewahrten Knochen dem Apostel Jakobus zugeschrieben. Evangelische und katholische Christinnen und Christen pilgern auch, um auf dem Weg über Gott und das Leben nachzudenken.
Warum pilgern Menschen?
Die Motivationen fürs Pilgern sind vielfältig. Denn das Pilgern hat für einzelne Menschen oft eine unterschiedliche Bedeutung. Auch haben sich die gesellschaftlichen und religiösen Gründe fürs Pilgern im Laufe der Jahrtausende immer wieder verändert.
Bis heute begibt sich eine Vielzahl von Menschen aus religiösen Gründen auf einen Pilgerweg. Sie wollen auf einem langen und mitunter auch anstrengenden Fußweg zu Gott finden. Beim Pilgern nehmen die Menschen Abstand vom Alltag. Damit wird das Pilgern zu einer Ausnahmesituation, in der es kaum Ablenkung gibt: Beim stundenlangen Gehen in der Natur denken Menschen noch einmal neu über sich, ihr Leben und ihre Beziehung zu Gott nach.
Gründe fürs Pilgern: auf das Wesentliche reduziert
Auch nicht-gläubige Menschen mögen am Pilgern die Ruhe und Stille. Sie finden unterwegs Entschleunigung und Abstand vom Stress. Unterwegs sein, das bedeutet für viele Menschen daher auch: einfach mal loslassen. Gewohnheiten werden abgelegt, Sinnfragen neu gestellt und Grenzerfahrungen erlebt. Denn beim Pilgern wird das Leben auf das Wesentliche reduziert: das Überwinden von körperlichen Beschwerden, Hitze, Regen und Kälte, Hunger und Durst lassen Menschen über sich selbst hinauswachsen.
Ob religiös oder nicht: Die Pilgerinnen und Pilger machen dabei auf ihrem Weg oft spirituelle Erfahrungen. Erfahrungen, die sie bewegen und berühren. Sie spüren, dass hinter allem Materiellen vielleicht noch eine höhere Macht existiert. Sie finden zu tiefgreifenden Einsichten, die sich auf ihr weiteres Leben auswirken.
Pilgern: Auf dem Weg sind alle gleich
Müdigkeit und Hunger, Blasen an den Füßen und schmerzende Waden, nasse Kleidung und Mückenstiche: Auf ihrem Weg meistern alle Pilgerinnen und Pilger ähnliche Beschwerlichkeiten. Ebenso erleben alle Pilgernden ähnliche Freude beim Blick in die Natur, beim Überwinden eigener Grenzen oder beim Erleben spiritueller Erfahrungen.
Auf dem Pilgerweg sind daher alle Menschen gleich – unabhängig von Herkunft, Beruf oder Einkommen. Bereits im Mittelalter gab es beim Pilgern ganz offiziell keine Standesunterschiede. Aus christlicher Perspektive ist das Pilgern eine Erinnerung daran, dass vor Gott alle Menschen gleich wertvoll sind und sich solidarisch begegnen sollen. Diese Erfahrung von Gleichheit und Gemeinschaft beim Pilgern stärkt auch gesellschaftlich den Zusammenhalt, denn sie fördert Verständnis und Toleranz, baut Vorurteile ab und schafft Begegnungen auf Augenhöhe.
Warum pilgern Christinnen und Christen?
Im Mittelalter war das Pilgern meist eine Leistung, die Christinnen und Christen gegenüber Gott erbrachten. Denn für das Zurücklegen einer Pilgerstrecke wurden ihnen durch die damalige katholische Kirche ihre Sünden vergeben. Manchmal lag dem Pilgern auch ein Gelübde zugrunde. Dabei gelobten Menschen, eine Pilgerreise zu unternehmen. Sie erhofften sich dann von Gott zum Beispiel die Genesung eines Angehörigen. Ein Gelübde ist vereinfacht gesagt ein Versprechen.
Buße und Heilserwartung sind bis heute für manche Christinnen und Christen ein Grund fürs Pilgern. Denn der Abstand vom Alltag ermöglicht einen ungetrübten Blick auf eigene Fehlentscheidungen. Dabei kann Vergebung als spirituelle Erfahrung erlebt werden. Unterwegs können beim Pilgern ebenso Ideen für neue und heilsame Lebensentwürfe gefunden werden.
Gründe fürs Pilgern: die Nähe zu Gott suchen
Viele Christinnen und Christen pilgern zu einem Ort, an dem sie eine größere Nähe zu Gott erwarten. Im katholischen Christentum sind das vor allem Orte, an denen Reliquien aufbewahrt werden wie in Santiago de Compostela. Es sind ebenso Orte, an denen Menschen berichten, dass ihnen Maria, die Mutter Gottes, erschienen ist. So soll es beispielsweise Marienerscheinungen im französischen Lourdes oder in Fatima in Portugal gegeben haben.
Viele Christinnen und Christen suchen und finden die Nähe zu Gott auch unterwegs. Beim Pilgern ist für sie daher nicht das Ziel wesentlich, sondern der Weg dorthin. Dieser Weg wird oft mit Gebeten, Liedern und biblischen Texten begleitet. Beim Pilgern denken die Menschen damit über ihren Glauben nach. Viele Menschen spüren beim Pilgern Gottes Nähe.
Beim Pilgern wird man Teil einer großen Gemeinschaft
Das weit verzweigte Netzwerk der Pilgerwege verbindet christliche Ortsgemeinden, Kirchengebäude und Unterkünfte. Es verknüpft Landkreise, Bundesländer, europäische Länder und sogar Kontinente. Pilgerwege bringen Menschen zusammen, die auf ihnen unterwegs sind. Dadurch entstehen Verbindungen zwischen Pilgerinnen und Pilgern aller Konfessionen und Glaubensrichtungen. Es werden Brücken zwischen Menschen aus unterschiedlichen Generationen und Ländern gebaut.
Einen Weltpilgertag gibt es an jedem vierten Sonntag im Jahr. Rund um den Namenstag des Apostel Jakobus gibt es an diesem Tag zahlreiche Aktionen auf der ganzen Welt.
Mehr erfahren auf weltpilgertage.de .
Evangelisch Pilgern: Pilgern geht auch evangelisch
Pilgern als Leistung, mit der Menschen die Sünden vergeben und ihnen einen Platz im Himmel gesichert wird? Diese mittelalterliche Bedeutung des Pilgerns entsprach schon bei der Entstehung der evangelischen Kirche im 16. Jahrhundert nicht dem evangelischen Verständnis. Der Reformator Martin Luther lehnte das Pilgern ab. Denn er war der Überzeugung: Der Mensch wird alleine durch seinen Glauben und durch Gottes Liebe gerettet – und nicht durch Taten wie das Pilgern.
Heutzutage ist das Pilgern im Christentum freiwillig. Es wird von den Pilgernden individuell gestaltet. Feste Regeln und Zwänge gibt es nicht. Beispielsweise wird niemand verpflichtet, eine bestimmte Strecke in einer vorgegebenen Anzahl von Tagen zurückzulegen.
Die Bedeutung des Pilgerns hat sich daher nach evangelischem Verständnis verändert. Evangelische Christinnen und Christen haben das Pilgern für sich als einen Weg zu Gott, um Gott zu finden und Weg mit Gott entdeckt. Evangelisch pilgern , das bedeutet unter anderem, sich eine Auszeit vom Alltag zu nehmen und neu über den eigenen Glauben nachzudenken. Es bedeutet auch, die Natur als Schöpfung Gottes bewusst wahrzunehmen.
Evangelisch Pilgern: unterwegs auf dem Lebensweg
Nichts bleibt, wie es ist, alles ist in Bewegung: das ist das Wesen des Lebens. Veränderung und Wachstum, das ist ebenso das Wesen des Glaubens. Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Welchen Sinn hat mein Leben? Wer gibt mir Kraft für meinen Weg? Solche Fragen begleiten häufig das Leben von Christinnen und Christen. Das Pilgern ist dabei eine ganz praktische Methode, den eigenen Weg mit Gott ganz bewusst zu beschreiten und zu erleben.
Pilgern in der Bibel
In der Bibel gibt es viele Erzählungen über Menschen, die aufbrechen und unterwegs sind:
- Im Alten Testament (1. Mose 12 ) werden Sara und Abraham noch im Alter von mehr als 60 Jahren in ein fernes Land geschickt, um sich dort anzusiedeln.
- Bei ihrer Flucht aus ägyptischer Gefangenschaft sind die Israeliten 40 Jahre in der Wüste unterwegs (5. Mose 29 ).
- Zwei Jünger begegnen dem auferstandenen Jesus Christus auf dem Weg in die Stadt Emmaus (Lukas 24, 13-17 ).
- Viele weitere Erzählungen im Neuen Testament handeln von Aufbrüchen, Richtungswechseln und Neuanfängen.
Pilgern: unterwegs mit Gottes Wort
Evangelisch pilgern, das kann auch bedeuten: Unterwegs sein mit Gottes Wort. Dafür gibt es viele Impulse fürs Meditieren, Beten, Singen und Nachdenken auf dem Weg .
Beim Pilgern kommt der Mensch in Bewegung und gleichzeitig zur Ruhe. Dabei bleibt Zeit und Raum für neue Gedanken. Impulse können helfen, noch einmal neu über das Leben und den Glauben nachzudenken. Viele Menschen spüren und erleben dabei ganz bewusst die Kraft Gottes und seine Liebe.
Entdecken Sie unsere Pilgerwege in NRW und im Rheinland – von Köln zum Jakobsweg und weitere Pilgerrouten.